Dublin I: Wo Leerstand begeistert // Connect the dots
Rike war vom 16-18.09.2015 in Dublin, um die Werft34 und unsere Saline34 in einem internationalen Projekt vom Goethe-Institut, namens InTransit, vorzustellen. Im Rahmen von InTransit besuchen sich 15 verschiedene, fantastische Projekte aus insgesamt 8 nordeuropäischen Ländern (hier: Irland, Finnland, England, Dänemark) die durch ihre visionäre Projekte versuchen neue partizipative Ansätze des gemeinsamen Zusammenlebens in Stadt und Land zu erforschen. Im Rahmen des Austauschs besuchen sich die Projekte gegenseitig, sind Gastgeber ihrer eigenen Städte, die sie unter unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten gemeinsam mit Vorort tätigen Initiativen vorstellen. Damit spinnt sich ein Netzwerk des gegenseitigen Austauschs und voneinander Lernens. In Dublin ging es um “Acess to Space”.
Der Donnerstagabend wurde von Connect the Dots, einer Initiative, die ein Netzwerk aus Kreativen und Engagierten spinnen möchte, organisiert. Den Begründerinnen von Connect the Dots, Marissa & Naomi, geht es vor allem darum den vielen Leerstand in Dublin durch interessierte Bürger wieder zu beleben. In ihren Events versuchen sie von Nachbarn bis hin zu Stakeholdern, Künstler, Stadtpläner, Vereine, Architekten, Stadtverwaltung, Wissenschaftler und Studenten zu verknüpfen und in einen Dialog zu bringen.
Was Rike an diesem Connect the Dots -Abend Wundersames erlebt hat, schildert sie euch hier:
Im Grunde ist die Idee einfach, aber genial: Ideenhaber treffen auf Entscheidungsträger und reden gemeinsam über ihre Visionen von Stadt. Aber sie funktioniert. Und wie! Es werden immer mehr und mehr Leute, das ehrwürdige Townhouse füllt sich auf allen Etagen. Ich habe das Gefühl, ich befinde mich in einem Bienenstock. Gleich danach und noch viele andere Mal am Abend, frage ich mich, als ich durch die Räume schwirre: Wie schaffen die das, dass so viele motivierte, unterschiedliche Leute hier zusammenkommen? Eine mögliche Antwort: Es macht ihnen Spaß. Spaß, gemeinsam mit anderen Pläne zu schmieden, wie sie ihre Stadt ein Stück lebens- und liebenswerter machen können. Marissa & Naomis antworten mir folgendermaßen: Mache Veranstaltungen, auf denen sich die Leute wohl fühlen. Dann tauen sie in Windeseile auf und trauen sich über ihre Wünsche und Ideen zu sprechen! Deswegen gibt es bei Connect the Dots auch ganz viel selbstgemachte Wimpelketten, wunderschön typografierte, handgemalte Schilder und leckres Essen .
I Phase: It´s all about imagination!
Dachgeschoss, links
Schwupps, bekam ich einen grünen Punkt auf mein Oberteil geklebt und finde mich in einem Raum wieder, der als Leerstandsgalerie umfunktioniert ist. So viele tolle, freie Brachen und Häuser! Da bekommt man sofort Lust am Ideen schmieden. Schnell sind die anderen Grünpunkte zusammengetrommelt. Und wir bekommen eine Architekturstudentin Alex zur Seite gestellt, zugleich sympathische Moderatorin und Antreiberin, die uns mit den Worten begrüßt: Wir haben nicht viel Zeit. Ab geht’s in den nächsten Raum!
Dachgeschoss, rechts
Nach einer kurzen Post-It´s Vorstellungsrunde (meine Gruppe ist bunt gewürfelt von einer Künstlerin, zu Aktivistin zu Designstudentin zu Nachbarn) erklärt uns Alex im Kurzdurchlauf das Gebäude. Ah, steht schon seit einiger Zeit frei, hat Garten und ist in einem Viertel mit viel Gastronomie, der hippen Francis-Street. 5 Minuten bekommen wir, um alle Ideen, die uns einfallen erst mal aufzuschreiben und anzupinnen. Komischerweise stresst mich der Zeitdruck nicht. Er macht den Prozess dynamisch und hält die Motivation der Beteiligten sehr hoch.
Danach planen wir in den nächsten 20 Minuten genau, was rein soll. Meine Idee mit dem offenen Wohnzimmer kam ganz gut an. Kurzerhand entsteht im Erdgeschoss community –space mit einem kleinen Kaffee, das hinausläuft in den Garten, der sich überrings vertikal bis nach oben zieht. Oben im Haus soll ein eher ruhiger, „privaterer“ Bereich entstehen, wo sich Leute zum Handarbeiten machen, arbeiten oder werkeln treffen können. Wenn ich so zu den anderen Gruppen rüberlinse, sind sprüht es (wie bei uns) nur so an kreativen Funken. Ich sehe strahlende Augen und nicht still stehende Münder. Die Studenten haben alle Mühe, all die Ideen kanalisiert auf die Entwurfsskizze zu bringen.
II Phase: Wie könnte man es anstellen..?
Vollgepackt mit unseren Ideen geht’s endlich vom Ideenhimmel eine Etage runter auf den Boden der Tatsachen. Es ist Zeit fürs Speeddating mit Entscheidungsträgern, Architekten und Sponsoren. Fünf Minuten, auf los geht’s los: Schnell erklärt, um welche Ideen es sich bei uns handelt und danach jede Menge Tipps und Tricks einholen. Für mich eine tolle neue Erfahrung: Hier schaut niemand skeptisch, keiner bremst uns und sagt: Das geht sowieso nicht. Vielmehr sind alle sofort Feuer und Flamme. Überings auch für die abwegigsten Ideen. Dabei ist unsere Idee eines community houses mit vertikalen Garten, offenen Wohnzimmers und oberen Etagen für Handwerk und Kinderspaß noch eine, die sich in vielen anderen Ansätzen auch wiederfindet.
Aber es sind auch so visionäre Hausverwendungen wie ein “Giraffe-Rehab-Center” dabei. Auch dieses wird mit einer ehrwürdigen Miene begutachtet und mit vielen sinnvollen Fragen und Finanzierungstipps von den Experten der Umsetzung versehen. Die Notizhefte füllen sich und nunmehr bin ich mir nicht mehr sicher, ob es hier nur noch um eine Gedankenspielerei geht. Die Ansätze und Finanzierungsoptionen werden immer konkreter. Und je konkreter sie werden, umso mehr Stimmen höre ich auch in meiner Gruppe, die sagen: Es wäre doch schade, wenn es nur bei der Idee bleibt…Es ist nur noch ein kleiner Sprung, um selbst aktiv zu werden.
III Phase: Gemeinsam Essen & Weiterdenken
Nach mittlerweile drei Stunden des intensiven gemeinsamen Arbeitens, Diskutierens und Ideenspinnens sind die Akkus langsam leer. Nun geht es das letzte Stockwerk herunter auf den Boden der Tatsachen: Es gibt ein wunderbares hausgemachtes Curry und ein kühles Erfrischungsgetränk. In lockerer Atmosphäre werden noch die letzten Argumente getauscht und tatsächlich sitzen Stadtplaner neben Architekturstudent, Künstlerin neben Stadtverwaltungsmitarbeiter, Aktivistin neben Professor. Zwischen Hauptgang und Nachtisch kommt die (zugegebene recht späte) Stunde von InTransit: Im Pecha-Kucha-Stil stellen wir im Schnelldurchlauf unsere Intitiativen vor und ernten anerkennden Applaus. Was für ein wunderbarerer Abend, der viel Lust auf mehr macht. Vor allem auf das Ausprobieren solch eines Formats in der eigenen Stadt. Na, dann mal los!
Tipps fürs Selbermachen von Marissa & Naomi:
Vorbereitung ist das halbe Leben, deswegen sind hier ein paar Tipps, die euch die Vorbereitung erleichtern sollen.
1) Mache Veranstaltungen, auf denen sich die Leute wohl fühlen. Dann tauen sie in Windeseile auf und trauen sich über ihre Wünsche und Ideen zu sprechen! Deswegen gibt es bei Connect the Dots auch ganz viel selbstgemachte Wimpelketten, wunderschön typografierte, handgemalte Schilder und leckres Essen J.
2) Suche leerstehende Gebäude und Brachen. Sammel Infos zu Fragen wie: Was befindet sich in der Nachbarschaft? Was ist die Geschichte des Ortes, wofür wurde er genutzt? Mache Bilder und organisiere dir einen Grundriss vom Gebäude. Fertige Plakate mit allen wichtigen Infos von den Orten an, die schnell zu erfassen sind.
3) Lade Leute ein, die interessiert an ihrer Stadt sind und engagierten Nachbarn, Künstler, Kulturschaffenden usw. Unser Netzwerk ist durch Schnellballprinzip entstanden. Wir haben Initiativen nach ihren Wünschen und Bedürfnissen interviewt und dabei gemerkt, dass sie andere Engagierte gar nicht kennen. Deswegen kam uns die Idee solche “Punkte” zu verbinden, in einen Dialog zu bringen und gemeinsam was zu schaffen. Wichtiges Schlüsselmoment bei den Interviews und allen anderen Treffen: Die Befragten wie auch die Besucher fühlen sich immer als Experten ihrer eigenen Sachen.
3) Lade Entscheidungsträger und Experten ein, die firm in Beantragung und Umsetzung solcher Projekte sind. Lade Ideenübersetzer wie Architekten ein, die die entwickelten Ideen und Wünsche in einen skizzierten Plan übertragen.
all images © Eugene Langan